IHR STANDPUNKT – Das Ausgangskonzept
Als Projekttitel hat „Ihr Standpunkt“ zwei Inhalte, nämlich das „Sie/Ihr“ als Anrede und das „sie/ihr“ als Personalpronomen. Damit wenden sich die Künstlerinnen dieses Projekts direkt an ein Stadtpublikum. Mehr noch, sie beziehen es ein, indem sie es (indirekt) vor die Frage stellen: das ist/was ist mein Standpunkt, wo stehe ich, in welcher Stadt bin ich hier angekommen/befinde ich mich? Es ist die Frage nach dem Boden, auf dem meine Füße gerade stehen, ergo ist der Boden ein territorialer, ein politischer, ein geschichtlicher Boden und erst danach ein touristisch verwertbarer. Annäherung an die Stadt Graz, Wahrnehmung aus mehreren Perspektiven und aus einer ganz bestimmt: der weiblichen.
Die Künstlerinnen sehen sich andererseits als stellvertretend Handelnde. Das Projekt und der Prozess von „Ihr Standpunkt“ ist zugleich der Standpunkt und die Stadtwahrnehmung von Frauen gemacht für die BewohnerInnen und BesucherInnen in Graz. Selbstredend ist dieser ihr Standpunkt ein aufklärerisch-kritischer, er ist ästhetisch ausformuliert, alltagstauglich, nicht unlustig und doch sexistisch wachsam.
Vorhaben, Ziel:
Stadtperformance, Auftakt am 25. Oktober 2013
Mappingprozess und Werkteile, Frühjahr 2014
Stele als permanentes Endprodukt, Herbst 2014
Dem künstlerischen Endprodukt Stele oder Säule (IHR STANDPUNKT) ist ein Prozess unterlegt, der als Recherche (MAPPING) von den beteiligten Künstlerinnen in Graz, zusammen mit einigen Wissenschaftlerinnen quasi über die Stadt ausgebreitet wurde. Mappings werden ja grundsätzlich von der Wissenschaft als Beobachtungsmethode praktiziert, um Erkenntnisse über Vernetzungen, Anhäufungen, Messungen zu erhalten, also vielfältige Fakten in einfachen Mustern abzubilden. Hier soll jedoch ein künstlerisches Mappingverfahren praktiziert werden, wobei auf ein künstlerisch-technisches Prozedere zurückgegriffen wird, das bei einem internationalen Projekt in der ESC Medien Kunst Labor erfolgreich angewandt wurde (…..). Graz selbst und seine Umgebung bildet bei „Ihr Standpunkt“ den Erfahrungsraum für das Abfeldern der Stadt in teilnehmender Beobachtung und Erhebung von Fragen wie etwa diesen: Wo sitzt die Macht, wo ist die Stadt undurchlässig, welche Wege und Orte stärken/schwächen die Selbstwahrnehmung der Frauen, wo funktionieren Zusammenleben und Integration (nicht), Identifikationsorte für Jugendkultur, Bildung, Alltag etc.
Es wird, zusammenfassend gesagt, die Diagnose der Stadt als sozialer Organismus erstellt, dem eine reale Utopie der Stärkung und des Potenzials von Frauen gegenüberliegt. Diese wird in eine ästhetische Form übersetzt, indem das Mapping als Erhebungsmodell entsprechend abstrahiert wurde. Letzteres ist schließlich als Werk einer Kunst im öffentlichen Raum in Form einer permanenten Stele an einem prominenten Ort zum Ausdruck gebracht. Das Kunstprojekt im öffentlichen Raum hat Zukunftscharakter, bildet Identität und Vielfalt ab, zeigt Handlungsbedarf, stärkt weibliche Selbstwahrnehmung hinsichtlich des tatsächlichen Potenzials einer Stadt wie Graz.
ZUM AUFTAKT
Stadtperformance, Sonderbus entlang der Linie 67
Am Vormittag und Nachmittag des 25.10.2013 ereignet sich in einem angemieteten Sonderbus entlang der Buslinie 67 in Graz eine Performance des Künstlerinnenkollektivs „Ihr Standpunkt“, an der neben Künstlerinnen und Publikum auch die Frauenbeauftragte der Stadt und eine Politikwissenschafterin aktiv teilnehmen. Dieses Ereignis entlang einer konkreten Strecke in Graz unterstreicht die Methode der Gruppe, Orte und Themen, die quasi „auf der Strecke liegen“, zu frequentieren und sie kritisch und originell in Handlung zu übersetzen. Dabei sind die Namen einiger dieser Stationen wie auch die durchfahrenen institutionellen und sozialen Alltagsorte in Graz Stichwortgeber: das gilt für die Aktionen im Bus innerhalb aber auch außerhalb, im öffentlichen Raum/bei den Stationen. Die Streckenführung der Linie 67 ist reich an solchen Anlässen. Dr. Monika Mokre übernimmt die die Rolle einer „Moderatorin“ im Sinne der Reiseleiterin und führt das Publikum im Bus, sowie die zugestiegenen Fahrgäste verbal durch das Geschehen. Es durchmischen sich Alltag und Kunstprojekt, Historie und Gegenwart. Wort, Diskurs und Klangerlebnis sind jedenfalls garantiert. Dies auch anhand der mitgeführten „Masken“ historischer und gegenwärtiger Frauen. Sie werden als Rolemodels für einige Bereiche gesetzt, die real frequentiert werden. Diese Frauen werden von den Künstlerinnen getragen. Bastelanleitungen dieser Gesichter aus Karton werden verschenkt, aber auch ein Köfferchen mit Notfallstropfen bereitgehalten, Stärkendes verabreicht. Im symbolischen Raum dieser Kunstaktion ist das Außerhalb (einer städtischen Sozialstruktur) Auslöser für kollektive Aktionen, Einzelperformances, Installationen und Acts, Feminismus-Theorie und Gesellschaftsdiagnose. Als „Moderatorin“ bringt und verknüpft die Wissenschaftlerin diese reale Busstrecke in Graz, ihre Haltpunkte und frequentierten Stadtzonen in einen gesellschaftlichen Zusammenhang und bildet, auch für das Buspublikum, die erklärende Klammer. Dass der Sonderbus zwar wohl entlang der Linie 67 aber einen eigenen Rhythmus nach Norden wie nach Süden fährt, ist die Folge. Es gibt für Fahrgäste ausgewiesene Zusteigemöglichkeiten, auch werden nicht alle, sondern nur etwa sieben, acht Stationen angefahren, die kreatives Potenzial haben im Sinne des Themas. Eine fotografische Dokumentation mit Theorie und Text zu dieser Stadtperformance „Ihr Standpunkt“ wird anschließend hergestellt und ist wichtiger Teil des Gesamtprojekts.
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